Vom Erleben in der Natur im Kleinen und im Großen


Verweigerung und erneut….

Ich scheue zurück vor der geplanten Rückkehr in die Enge und Hast der Städte.

Vorgestern habe ich eine kleine Panikattacke bekommen auf dem Weg zur Fähre von Oslo nach Kiel und der geplanten Rückkehr nach Deutschland.

Mag es pathetisch klingen, aber es fühlte sich an, wie es sich für ein Pferd anfühlen mag, welches gewohnt ist, sich in Freiheit bis zum Horizont zu bewegen, und plötzlich erkennt, dass es auf ein Gatter zugetrieben wird, welches ihm die gewohnte Freiheit nehmen wird.

Es scheut, bäumt sich, steigt und schlägt aus.

So habe ich kurzerhand die Fähre und damit die gemeinsame Rückfahrt mit Simone, die durch ihre Arbeit in Berlin verpflichtet ist, gecancelt, habe sie zum nächsten Flieger nach Berlin gebracht und bin zurück in den Norden geeilt.

So ist es mir aus dem Unmittelbaren des Erlebten heraus erwachsender, lustvoller Fleiß, anstatt nachträgliches Abarbeiten, gefüllt mit herrlichen Überraschungen bei der Sichtung des Materials, für die meine innere Ausgefülltheit mit dem kürzlich Erlebten den Klangkörper bildet.

Freude und Glücksmomente stellen sich mir dann besonders ein, wenn es gelingt, bei allem Ernst, einen spielerischen Aspekt in meiner Arbeit zu bewahren und das Empfinden von Pflicht zu verabschieden.

Ich freue mich an der Vergleichbarkeit von Makro und Mikro, der Welt im Kleinen und im Großen, die dem Blick aus der erhabenen Perspektive der Drohnenkamera sowie dem Blick durch das Makroobjektiv, nur wenige Zentimeter vom begehrten Motiv entfernt, entspringen.

Erst schleifen die gewaltigen Eismassen der Vorzeit die Berge, und lassen die Erde ohne Kleid sein. Dann erodiert der Fels.

Moose und Flechten überziehen diese Felsstrukturen, die dann wieder freigewaschen werden durch die nächste Eisdrift, um erneut Leben zu siedeln.

So entfaltet das Gesicht dieser, vom Zugriff des Menschen weitestgehend verschonten Urlandschaft, eine wieder und wieder sich ändernde Mimik, entstehend durch fortwährendes Abtragen, neu Gestalten und erneutem Abtragen in Wiederkehr, so wie ich es auch in meiner Malerei suche.

Was für eine Unzahl kleiner und großer Wunder, deren Morphologie sich erst beim Herantreten auf kürzeste Distanz oder beim Zurückweichen in luftige Höhen erschließen mit dem Blick aus einer unverbrauchten Perspektive, dem Auge ein Fest.

Strukturen, Verästelungen, Schönheit, Licht, Schatten und Düsternis.

So könnte die Topografie der Landschaft die meiner Seele und die des Denkens abbilden.

Es ist nicht mehr die romantische, sehnsuchtsvolle Landschaft der Seerosenteiche meiner jungen Jahre.

Vielmehr sucht der Blick die Weite, die große Form, um Ganzes zu begreifen, versucht Sinn zu erfassen im ergebnislosen Mühen, die nicht beantwortbare Frage nach dem Wesen unseres Seins aufzulösen.

Landschaft ist ambivalent, ist Chaos und Struktur zugleich, ist das Zusammentreffen gegensätzlichster Elemente, ist atemberaubender Reichtum, ist Schönheit und gleichermaßen Gewalttätigkeit und gleichgültige, kalte und grausame Empathielosigkeit.

Landschaft kennt keine Menschenmoral.

Und deren romantische Betrachtung, die uns die Seele wärmt, will nicht das Gegenstück mitdenken.

Aber gerade das macht die Unfassbarkeit und Widersprüchlichkeit aus, die der Existenz auch allen Lebens unterliegt, so sehr wir uns auch mühen, in dem erfolglosen Versuch, diese in Harmonie aufzulösen.

In seltenen Momenten des Ergriffenseins und des maßlosen Staunens, schenkt sich mir das  glückhafte Empfinden, mich in einem Größeren aufgehoben fühlen zu dürfen.