Nun Norwegen – mit der Sehnsucht, wieder in die Unberührtheit der norwegischen, von Menschenhand weitestgegend ungestalteten Natur einzutauchen, fern des Hintergrundrauschens der Städte mit ihrem medialen Lärm und schwer ertragbarem Bedeutungsgehabe.
Ich komme bei strahlendem Sonnenschein mit der Fähre in Oslo an und bin, nachdem ich die, verglichen mit früheren Erfahrungen, nachvollziehbar deutlich aufwändigeren Einreiseformalitäten und die teutonische Angespanntheit, hinter mir gelassen habe, wieder in der gewohnten freien und befreiten Atmosphäre des Nordens.
Strahlendes Sommerwetter empfängt mich.
Herrlich einerseits, aber auch ein wenig irritierend, denn mir begegnet ein Sommer, den ich sonst nur aus Mittel- und Südeuropa kenne.
Ich nutze den Schwung meiner aufsteigenden Euphorie und fahre gleich weiter in die Hochebenen des Haukelifjells einer Hochgebirgslandschaft von karger, zeitloser Schönheit, die mich seit meinen ersten Reisen hierher während meines Studiums in den 80er Jahren nicht mehr losgelassen hat.
Meine gedanklichen Konzeptionen fotografischer und filmischer Absichten haben in meinem Kopf längst Kontur angenommen.
Später soll das Augenerlebte, dann fotografisch und filmisch Fixierte, neben seinem eigenständigen Wert als Anregung und Ausgangspunkt für meine Malereien im Atelier dienen, und als Mosaikstein im Schatzkästchen meiner Erinnerungen aufbewahrt werden.
Bei meinen vielmaligen Wanderungen durch das Fjell in früheren Jahren habe ich die Landschaft immer bedeckt, mystisch wolkenverhangen, nebelig und mit Temperaturen im einstelligen Bereich erlebt. Normalerweise liegt hier selbst im Sommer noch großflächig Schnee.
Jetzt aber ist es sommerlich heiß bei strahlend blauem Himmel. 24 Grad Celsius!
Ich hatte die Vorstellung, dass mich hier alles wie gewohnt in feuchtglänzender Intensität und die Details der Landschaft aus sich selbst heraus leuchtend empfangen, dass die Moose prall mit Wasser gefüllt sind, aus denen es plätschernd und gluggernd heraustropft, dass feuchter Glanz Flechten und Moose Malerei illusionieren lassen und Augenfreude werden.
Stell Dir vor, Du siehst am Meeresstrand wellenüberspülte Steine, die Dich mit ihrem Leuchtenden und glänzenden Farbenspiel entzücken.
Natürlich willst Du das Erlebte bewahren und die Steine nach Hause tragen.
Aber, oh Wunder, zu Hause angekommen und ausgepackt findet sich nur ein Haufen trockener, gewöhnlicher Kiesel, schmucklos und ohne Strahlkraft.
So begegnet mir die „Ent-täuschung“ auch hier.
Ich hatte mich in meinen Erwartungen getäuscht.
Die Stauseen haben wegen des fehlenden Regens, und abgelassen wegen des erhöhten Wasserbedarfs unten in der Menschenwelt ein Niveau zwischen 8 und 10 Metern unter dem Normalspiegel.
Die Norweger, die ich unterwegs gesprochen habe, erzählten, dass sie schon im vorigen Jahr einen solchen Sommer noch nie erlebt hätten, aber der in diesem Jahr sei noch eine deutliche Steigerung.
Alles ist trocken und ohne das gewohnte Leuchten in Nässe. Die Renntierflechten knistern unter meinen Füßen.
Pfützen und Wasserläufe sind zum großen Teil ausgetrocknet, auch wenn der Blick zum strahlendblauen Himmel und die Sonne Stirn und Seele wärmen.